Vertrauen vs. Zutrauen - Eine wertvolle Unterscheidung
Im Alltag von Führung und Organisationen schleichen sich gerne vage und ungenaue Definitionen und Verständnisse ein. So ist manches gerne kompliziert während anderes doch eher komplex ist? Führung ist gleich Management und mancher salzt alles noch mit ein wenig Steuerung. Um nur zwei alltägliche Beispiele zu nennen. Es hat sich eine Tendenz der Sprach-Unreinheit und Verallgemeinerung eingebürgert. Gegebenenfalls auch, weil niemand sich wirklich mit den Begriffen und deren tiefere Bedeutung auseinandersetzt, bzw. setzen will. Und in der Zeit von Massenschlagzeilen, bei denen nur der Grad der Aufregung zählt, braucht es ein tiefergehendes Verständnis.
Ein Phänomen, welchem ich immer wieder über den Weg laufe ist, die allgemeine Verwendung des Wortes Vertrauen. Vor allem im Kontext von Teams, Organisationen und Führung. Vertrauen ist alles oder gegebenenfalls auch nichts, da es so verschwenderisch verwendet wird, dass es eigentlich keine Bedeutung und Wirkung mehr entfalten kann. Ich bin der Überzeugung, dass die Arbeit und das Verständnis von Unterscheidungen einen elementaren Vorteil in der Arbeit mit Teams und Organisationen bringt.
Daher möchte ich einen kleinen Exkurs in die Differenzierung von Zutrauen und Vertrauen als Reflexionsübung anbieten.
Die Unterscheidung zwischen Zutrauen und Vertrauen ist ein zentrales Konzept in der Organisationsforschung und Teamdynamik. Beide Begriffe werden oft synonym verwendet, doch sie beschreiben unterschiedliche Facetten zwischenmenschlicher Beziehungen, die für den Erfolg von Teams und Organisationen entscheidend sind.
Doch was ist der Unterschied?
Während Zutrauen auf der Einschätzung von Kompetenzen basiert, geht Vertrauen tiefer und umfasst die emotionale Sicherheit und das gegenseitige Wohlwollen innerhalb eines Teams. Anders gesagt, bei Zutrauen setze ich meinen Glauben in die andere Person auf dessen faktischen Fähigkeiten. Wissen und Talent. Ist derjenige qualifiziert, die Aufgabe zu erledigen? Es basiert auf Wissen.
Bei Vertrauen gehe ich eine Wette ein. Ich akzeptiere Unsicherheit indem ich eine emotionale Wette auf die Integrität und die wohlwollenden Absichten des anderen eingehe. Es basiert auf einem Gefühl.
1. Die Differenzierung zwischen Zutrauen und Vertrauen
- Zutrauen ist die kognitive Einschätzung der Fähigkeiten, des Wissens und der Kompetenzen einer Person. Es bedeutet, dass ich anderen zutraue, eine Aufgabe erfolgreich zu erledigen, weil ich an ihre Fachkompetenz glaube. Dieser Aspekt ist besonders in hochspezialisierten Teams wichtig, in denen technische Fähigkeiten und Erfahrungen entscheidend für den Erfolg sind.
- Vertrauen hingegen ist eine emotionale Wette auf die Zukunft. Es bezieht sich nicht nur auf die Fähigkeit einer Person, sondern auch auf ihre Absicht und Integrität. Vertrauen bedeutet, dass ich glaube, die andere Person wird ihr Wissen und ihre Fähigkeiten nicht gegen mich oder das Team einsetzen, selbst wenn sie die Möglichkeit dazu hätte.
Diese Differenzierung ist entscheidend, weil sie erklärt, warum Teams trotz hoher Fachkompetenz scheitern können: Es fehlt nicht am Zutrauen in die Fähigkeiten, sondern am Vertrauen in die Absichten der Teammitglieder. Und umgekehrt sind Teams nicht Handlungsfähig, wenn sie ein hohes Maß an Vertrauen haben, aber es an Zutrauen in die gegenseitigen Fähigkeiten fehlt.
2. Die Bedeutung von Zutrauen und Vertrauen in Teams
In Teams spielt die Balance zwischen Zutrauen und Vertrauen eine zentrale Rolle. Studien zeigen, dass Teams, die sowohl fachlich kompetent sind als auch ein hohes Maß an Vertrauen untereinander haben, nicht nur leistungsfähiger, sondern auch resilienter und innovativer sind.
- Zutrauen stärkt die Arbeitsdynamik: Wenn Teammitglieder sich gegenseitig ihre Fähigkeiten und Kompetenzen anerkennen, führt das zu effizienter Aufgabendelegation und einem reibungslosen Arbeitsfluss. Dies ist die Grundlage für eine funktionierende operative Zusammenarbeit.
- Vertrauen stärkt die emotionale Bindung: Vertrauen sorgt dafür, dass Teams nicht nur als Arbeitsgemeinschaften, sondern als echte Gemeinschaften funktionieren. Vertrauen ermöglicht offene Kommunikation, das Eingestehen von Fehlern und das Ansprechen von Unsicherheiten ohne Angst vor negativen Konsequenzen.
Eine Untersuchung von Google’s Project Aristotle (2015) zeigt, dass psychologische Sicherheit – ein Konzept, das eng mit Vertrauen verbunden ist – der wichtigste Faktor für die Effektivität von Teams ist. Psychologische Sicherheit entsteht, wenn Teammitglieder darauf vertrauen, dass sie ohne Angst vor negativen Konsequenzen Risiken eingehen, Fragen stellen und Fehler zugeben können.
Wir haben ja bereits die Zutaten, die es braucht um die Emergenz von Vertrauen in Teams und Organisationen wahrscheinlicher zu machen, in vorherigen Artikeln beleuchtet, aber vielleicht es es sinnvoll einen kleinen Schritt zurück zu machen um den Kontext klarer darzulegen. Hier geht´s zu den vorhergehenden Artikeln www.auftriebsberatung.de/blog
Zutrauen einsteht, wenn jeder im Team seine Fähigkeiten anbietet und kann recht leicht anhand von Zertifikaten, Lizenzen und anderer Nachweise von Qualifikation erbracht werden.
Vertrauen ist weit schwieriger aufzubauen.
3. Vertrauen durch Handlungen und Entscheidungen
Vertrauen entsteht nicht durch Appelle oder wohlklingende Worte und auch nicht durch Zertifikate, sondern durch konkrete Handlungen und Entscheidungen. Studien von Dirks & Ferrin (2002) zeigen, dass Vertrauen in Führungskräfte vor allem durch konsistentes Verhalten, Transparenz und Verbindlichkeit aufgebaut wird.
- Transparenz und Verbindlichkeit: Vertrauen erfordert, dass Führungskräfte und Teammitglieder konsequent handeln und ihre Entscheidungen nachvollziehbar gestalten. Verbindlichkeit zeigt sich darin, dass Zusagen eingehalten werden und Erwartungen klar kommuniziert werden.
- Mut und Unsicherheit: Vertrauen ist immer mit einem Risiko verbunden, da es eine Vorschussleistung ist. Es bedeutet, sich in gewissem Maße verletzlich zu machen. Diese Bereitschaft, Unsicherheiten auszuhalten, ist ein Zeichen von Stärke – sowohl bei der Führung als auch bei den Teammitgliedern.
- Vertrauen entsteht nicht trotz der Anwesenheit von Risiko, sondern durch die Anwesenheit von Risiko. Ohne Risiko kein Vertrauen.
Ein Beispiel aus meiner Zeit in der Luftfahrt verdeutlicht dies: Ich musste nicht nur darauf vertrauen, dass meine Kollegen technisch kompetent sind (Zutrauen), sondern auch darauf, dass sie in kritischen Situationen im Sinne des Teams handeln (Vertrauen). In letzter Konsequenz um alle am Leben zu halten.
4. Die Rolle von Zutrauen und Vertrauen in der Führung
Die Unterscheidung zwischen Zutrauen und Vertrauen hat direkte Implikationen für Führungskräfte:
- Zutrauen in die Kompetenz der Mitarbeitenden: Führungskräfte müssen die Fachkompetenz ihrer Mitarbeitenden einschätzen und ihnen Aufgaben zutrauen, die ihren Fähigkeiten entsprechen. Ohne ist die Organisation nicht handlungsfähig und die Wertschöpfung kommt sehr wahrscheinlich zum Erliegen.
- Vertrauen in die Integrität der Mitarbeitenden: Über die fachliche Ebene hinaus müssen Führungskräfte ihren Mitarbeitenden vertrauen, dass sie im Sinne des Teams und der Organisation handeln. Dieses ist fundamental, um eigenständige Entscheidungen treffen zu können. Dieses ist fundamental für die Entscheidungsfähigkeit der Organisation.
Eine Studie von Korsgaard et al. (2015) zeigt, dass Führungskräfte, die sowohl Zutrauen in die Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden zeigen als auch Vertrauen in deren Integrität haben, bessere Teamleistungen und eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit erreichen. Damit erhöht sich die Wertschöpfung der Organisation.
Praktische Implikationen für Teams
- Lernkultur: Teams, in denen Vertrauen herrscht, entwickeln eine offene Lernkultur. Fehler und Irrtümer werden als Lernmöglichkeiten angesehen und nicht als Gründe für Schuldzuweisungen. Dies fördert eine innovative und resiliente Arbeitsumgebung.
- Selbstorganisation: In Teams, in denen ein hohes Grad an Autonomie herrscht, ist die Balance zwischen Zutrauen und Vertrauen besonders wichtig. Zutrauen sorgt dafür, dass Aufgaben effektiv verteilt werden, während Vertrauen sicherstellt, dass die Mitglieder auch in unsicheren Situationen Verantwortung übernehmen.
Abschließend lässt sich sagen
Die Unterscheidung zwischen Zutrauen und Vertrauen ist eine lohnenswerte Unterscheidung, die Teams zu einem höheren Leistungsniveau verhelfen und die Führungskräfte entlasten. Sie erlaubt ein besseres Verständnis von Teamdynamiken und Führungsvermögen innerhalb der Organisation. Darüber hinaus erlaubt die Unterscheidung ein differenzierte Analyse von Mustern innerhalb der Teams und der Organisation, was wiederum zweckdienlich bei Veränderungsinitiativen ist.