Das Wachstum von Start-ups - Erwachsen werden tut manchmal weh
Das Wachstum von Start-ups - Erwachsen werden tut manchmal weh
Alles beginnt mit einer Idee. Einer Idee für ein Produkt, eine Service-Lösung, eine Marktlücke. Alles beginnt mit einer Idee für die Lösung eines Marktproblems, eines Kundenproblems. So oder so ähnlich beginnen viele Start-ups ihren Weg. Viele sehr erfolgreich, andere weniger. Ein Umfeld hoher Dynamik. Aber das macht ja auch einen Teil des Reizes von Gründungen, Start-ups aus. Es existiert eine Idee, es wird ausprobiert, was funktioniert hat Bestand, was nicht funktioniert stirbt.
So dynamisch das Kommen und Gehen, so dynamisch ist auch die Art, wie diese jungen Unternehmen arbeiten. Sie machen einfach. Die in „etablierten“ Unternehmen und Konzernen vorhandene Denkweise der Prozess-Orientierung ist wenig bis überhaupt nicht ausgeprägt. Es besteht ein Problem, das muss gelöst werden. Wenn kein Prozess Vorgaben macht, wird danach gehandelt, was logisch erscheint und sich richtig anfühlt. Mit Irrtümern wird positiv umgegangen und als Lern-Chance gesehen.
Start-ups schleppen den ganzen „blauen Unrat“, der sich oft in Vorgaben, Prozessen, Handlungsanweisungen etc. abbildet, nicht oder nur im geringen Maße mit sich herum. Die Organisation ist schlicht, klein und geprägt davon Lösungen zu schaffen. Kurzum, die Kommunikationsmuster orientieren sich an der Lösungsfindung. Das macht sie dynamisch und resonanzfähig mit dem Markt.
Was macht der Markt?
Die relevanten Umwelten von Unternehmen, die Märkte, sind heute viel dynamischen als noch vor 20-30 Jahren. Ein hohes Maß an Marktdynamik heißt ein hohes Maß an Überraschungen, von Unvorhersehbarkeit und damit auch Unsicherheit. Wo bisher Planungen gereicht haben, müssen nun Strategien her. Wo Prozesse bisher Planbarkeit gesichert haben, treten nun Unsicherheiten über die Zukunft auf.
Einige grundsätzliche Herausforderungen sind
- Dynamik heißt große Anzahl an Überraschungen im Markt
- Hohe Dynamik bedeutet Komplexität
- Komplexität des Marktes fordert Komplexität der Lösungen
- Komplexität der Lösung benötigt Anpassungsfähigkeit der Organisation
- Anpassungsfähigkeit einer Organisation erhöht gleichzeitig die Komplexität in der Organisation
- hoher Druck des Wachstum durch Eigentümer, Shareholder, Investoren
- Druck der Skalierung des Business
Diese Anforderungen bzw. Rahmenbedingungen von dynamischen Märkten fordern Unternehmen immer stärker heraus, sich von den klassischen Denkansätzen zu lösen und neue Wege zu gehen, um mit der Dynamik umzugehen. Die Unternehmen, denen dieses gelingt, die den Mut haben, sich von bekannten Ordnungsmustern zu verabschieden und die Unsicherheit im Übergang zu akzeptieren, nenne ich dynamikrobust.
Start-ups sind dynamisch, da sie meist keine klassischen organisatorischen Denkmuster haben. Es ist ja alles neu.
Das verschafft ihnen im Umgang mit Marktdynamik einen entscheidenden Vorteil.
Aber dann!
Und eines Tages kommt der Punkt, an dem die beobachtbare innere Dynamik mehr und mehr chaotisch wirkt. Das Start-up ist nunmehr an einem Punkt des Wachstums, an dem weitere Mechanismen Einfluss nehmen. Es entsteht der gefühlte Handlungsdruck etwas anders machen zu müssen. Etwas mehr „seriöses“ Unternehmen und etwas weniger „chaotisches“ Start-up. Es müssen Regeln und Prozesse her um dem Chaos Einhalt zu gebieten. Die Organisation soll erwachsen werden. Man schaut zu den Großen und tappt schnell in eine gefährliche Falle. Es werden sich Dinge von den großen Organisationen abgeschaut. „Wenn die es so machen, muss es ja gut sein, ansonsten wäre sie ja nicht erfolgreich“….. höre ich immer wieder. Es wird sich professionalisiert, so der Anspruch.
Die Falle!
Einer Organisation mit wenigen Mitarbeitenden erlaubt man mehr „Chaos“ als einer mit mehreren tausend Mitarbeitenden. Wo es bei Start-ups noch als chaotisch charmant abgetan wird, unterstellt man größeren Organisationen gerne Unprofessionalität. Ob Kunden, Investoren, Eigentümer, alle schauen gern „über den Tellerrand“ zu anderen um geordneter zu werden.
Das Problem, welches ich beobachte ist, dass diese Professionalisierung oft unreflektiert erfolgt. Es werden Prozesse und Abläufe, Strukturen und Regeln kopiert und ohne Differenzierung übernommen. Man passt sich als Organisation dem „gefühlten“ oder allgemeinen Normal der Wirtschaft an. Andere machen es so, also müssen wir es auch so machen. Management-Berater tun ihr übriges zu diese Tendenz.
Die große Gefahr hier ist, dass die Prozesse, Abläufe, Strukturen etc anderer Organisationen nicht gezwungenermaßen auf den eigenen Kontext – Markt-Problem-Lösung – passen. Vor allem nicht allgemein über die gesamten Organisation. Ohne eine präzise Reflektion des eigenen Kontextes und ein Verständnis darüber, wie Organisationen funktionieren, führt diese Kopierwahn u.a. dazu, dass einigen Teilen der Organisation die benötigte Freiheit zur Bewältigung der Marktdynamik genommen wird. Der Organisation wird die Fähigkeit genommen, auf die Marktdynamik zu reagieren. Die oben beschriebene Komplexität im Inneren wird reduziert und passt nicht mehr zur Komplexität des Marktes bzw. zur Marktdynamik.
Was ist die Alternative?
Es gibt keine allgemeingültige Antwort, sondern nur mögliche Annäherungen an das zu bewältigende Problem.
Eine mögliche Resonanzpunkte sind
- Schaffen von Erkenntnis, wie Marktdynamik funktioniert und welchen Einfluss diese auf die eigene Organisation hat.
- Schaffen von Erkenntnis, wie Organisationen funktionieren und welche Mechanismen beobachtbar sind.
- Wie sieht die eigene Realität – Unternehmensrealität – aus?
- Wie passt das gefühlte „Normal“ und das beobachtbare „Normal“ anderer aus und wie passt das zum obigen Punkt – eigene Unternehmensrealität
- Nichts kopieren, was nicht zur eigenen Wertschöpfungsrealität passt. Die Kunst des Weglassens!
- Das kritische Hinterfragen jeder Methode – Methodengläubigkeit unterdrücken.
- Aufmerksam für Alternativen sein, die Abseits der üblichen Lehre Lösungen anbieten. Nicht den klassischen Methoden blind vertrauen.
- Selbst Denken und Lösungen finden, auch wenn das reine Kopieren einfacher und vordergründig effektiver erscheint.
So kann eine Organisation als Start-up wachsen und robust mit der Marktdynamik umgehen. Sie wird dynamikrobust und damit erfolgreich am Markt.