Kunde oder Markt? Oder doch beides?

Mike Hoofdmann • 30. August 2025

Warum es klug ist, Kunden- und Marktorientierung nicht in einen Topf zu werfen

Ihr Unternehmen ist doch sicher 100% kundenorientiert, oder?

In meiner Beratungstätigkeit kreuzt immer wieder die Aussage „Wir sind ganz kundenorientiert“ meinen Weg. Und so nachvollziehbar diese Aussage auch auf den ersten Blick sein mag, so kritisch sollte sie in dieser Pauschalität einmal hinterfragt werden. Denn auch Marktorientierung kann – und ist in den meisten Fällen – eine sehr wirksame Ausrichtung eines Unternehmens.


Wo liegt der Unterschied?

Auf den ersten Blick klingt es fast gleich – Kundenorientierung und Marktorientierung. Zwei Begriffe, die oft als Synonyme durch Strategie-Meetings geistern, als ob sie dieselbe Denkweise beschreiben würden. Doch wer sich in der unternehmerischen Praxis bewegt, weiß: Zwischen beiden liegt ein Unterschied, der weit mehr ist als akademische Spitzfindigkeit. Es geht um die Ausrichtung ganzer Geschäftsmodelle – und letztlich um die Frage, wie Unternehmen heute überleben und morgen wachsen.

Kundenorientierung ist wie ein maßgeschneiderter Anzug. Sie richtet sich an einzelne Bedürfnisse, an spezifische Wünsche und unmittelbare Erwartungen. Das kann charmant und effektiv sein, besonders dann, wenn es um langfristige Beziehungen, exzellenten Service oder die Entwicklung von Vertrauen geht. Doch wie jedes Maßstück hat auch dieser Ansatz seinen Preis: Zeit, Aufwand, Komplexität – und oft auch die Abkehr von Standards, die Skalierbarkeit ermöglichen würden.

Wer hingegen marktorientiert denkt, schaut über den Tellerrand hinaus. Hier wird nicht gefragt: „Was will dieser Kunde heute?“, sondern: „Was braucht der Markt morgen?“ In diesem Denken stecken Wettbewerb, Trends, technologische Umbrüche, gesellschaftliche Veränderungen. Es ist eine breitere Linse, eine strategische Flughöhe, die es erlaubt, sich nicht nur zu bewegen, sondern zu positionieren – jenseits des direkten Kundenfeedbacks.


Und warum ist das wichtig?

Gerade Unternehmen, die mit wenigen Großkunden gewachsen sind, verfallen oft der Versuchung, jedem Wunsch gerecht zu werden. Was als Servicegedanke beginnt, endet nicht selten in einem gefährlichen Ungleichgewicht: individuelle Anpassungen, Sonderlösungen ohne Aufpreis, stille Abhängigkeiten. Und dann der Trugschluss, dass sich diese Leistungen später leicht an andere verkaufen lassen. Die Realität? Meist bleiben sie so spezifisch, dass ihr Wert außerhalb der ursprünglichen Kundenbeziehung verpufft.

Das bedeutet nicht, dass Kundenorientierung schlecht ist. Im Gegenteil – sie bleibt ein zentraler Bestandteil jeder unternehmerischen Haltung. Aber sie darf nicht dominieren, wenn das große Ganze – der Markt, der Wettbewerb, die Zukunft – aus dem Blick gerät. Nur wer beides zusammen denkt, wer Kundenwünsche filtert, bewertet und in marktfähige Lösungen überführt, kann sich auf Dauer behaupten.

Ein marktorientiertes Unternehmen entwickelt nicht für einen, sondern für viele. Es erkennt Muster statt Ausnahmen. Es kalkuliert wirtschaftlich, nicht emotional. Dabei bleibt der einzelne Kunde wichtig – aber eben als Teil eines größeren Systems, nicht als alleiniger Maßstab.

Strategische Weitsicht beginnt also mit einem klaren Blick auf diese Unterscheidung. Denn während Kundenorientierung Nähe schafft, gibt Marktorientierung Richtung. Und wer beides beherrscht, hat mehr als nur einen Wettbewerbsvorteil – er hat einen Kompass in der Hand.